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29. Oktober 2024 | Ein Abschlussdokument ohne Verbindlichkeit

Keine Ratifizierung des deutschen Synodalen Weges, keine lehramtliche Verbindlichkeit: Ein Gastbeitrag zum päpstlichen Verzicht auf ein nachsynodales Schreiben von Heribert Hallermann. | Download Dokument


Autor: Prof. em. Dr. Heribert Hallermann
Quelle:
Die Tagespost

Am Sonntag ist die zweite Sitzungsperiode der 16. ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode zu Ende gegangen. Einen Tag zuvor hatte die Synodenversammlung in einem Abstimmungsmarathon Punkt für Punkt alle 151 Paragrafen angenommen, welche die rund 370 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Synode dem Papst als Ergebnis ihrer Beratungen während des im Jahr 2021 begonnenen weltweiten synodalen Prozesses vorlegen wollten. Es ist kein Wunder, dass sofort mit dem Abschluss der Synode die Diskussion um die Deutungshoheit über deren Ergebnisse begonnen hat.

Verwunderlich ist aber, dass diese Diskussion – oder besser: das Ringen um die Deutungshoheit – bereits vor dem Abschluss der Synode manifest geworden ist. Schon am Tag vor den Schlussabstimmungen, als also das Ergebnis der Synode noch nicht einmal feststand, vertrat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), der Limburger Bischof Georg Bätzing, bei einer Akademieveranstaltung der Erzdiözese München und Freising die Ansicht, dass es bei der Weltsynode kaum mehr eine Lücke zu dem Verständnis von Synodalität gebe, wie es der Synodale Weg der Kirche in Deutschland vorgelegt habe; im Abschlussdokument erwarte er eine klare Beschreibung dessen, wie Beraten und Entscheiden zusammengehen könnten.

Interpretieren, bis es passt

Thomas Söding, einer der theologischen Berater der Bischofssynode, vertrat bei derselben Gelegenheit in offenkundiger Erwartung eines sogenannten „Nachsynodalen Apostolischen Schreibens“ die These, dass man mit römischen Dokumenten grundsätzlich „erwachsen umgehen“ solle; das bedeute, dass man die oft weich und offen formulierten Dinge als Möglichkeit nutzen müsse. Mit anderen Worten: Entsprechende Äußerungen des Papstes müssten einfach so lange „interpretiert“ werden, bis sie mit den eigenen Erwartungen weitestgehend übereinstimmen.


Bätzing und Söding gehören zweifelsfrei zu denen, die sich von der Weltsynode eine Bestätigung oder eine Art Ratifizierung dessen erwartet hatten, was vom sogenannten „Synodalen Weg“ in Deutschland ungeachtet aller begründeten theologischen und kirchenrechtlichen Kritik unbeirrt vorgetragen wurde, wie zum Beispiel: Beraten und Entscheiden gehören untrennbar zusammen; an beiden Vorgängen müssten Laien maßgeblich beteiligt sein. Einer solchen Erwartungshaltung setzt der tschechische Theologe und Religionsphilosoph Tomáš Halík die Auffassung entgegen, dass diejenigen, die von der Weltsynode radikale institutionelle Veränderungen erwarten, eine klerikale Haltung zeigen, weil sie nämlich Veränderungen „von oben“ erwarten; die Fortsetzung des synodalen Prozesses erfordere aber eine Vertiefung von Theologie und Spiritualität. Auf deutsch: Die Erwartung einer solchen Ratifizierung geht an der Zielsetzung der Synode vorbei.

Seit 1965 gibt es wieder Synoden – und nachsynodale Schreiben

Es wird notwendig sein, alle einzelnen Vorschläge der Weltsynode zu analysieren, auch, um zu überprüfen, ob die Erwartung einer Ratifizierung von Beschlüssen des „Synodalen Weges“ durch die Weltsynode gerechtfertigt ist oder nicht. Zunächst und vordringlich geht es aber darum, grundsätzlichere Fragen zu klären, die für die Diskussion um die Deutungshoheit über die Synodenergebnisse maßgeblich sind: Wie ist die Entscheidung des Papstes, kein Nachsynodales Schreiben zu verfassen, einzuordnen? Was bedeutet das für die Relevanz des Abschlussdokuments der Synode? Und unterscheiden sich Abschlussdokumente von Synoden von Nachsynodalen Schreiben in puncto Verbindlichkeit?

Seitdem es seit dem 15. September 1965 wieder Bischofssynoden in der katholischen Kirche gibt, war es üblich gewesen, dass der jeweilige Papst – in der Regel mehrere Monate nach Abschluss der jeweiligen Synode – auf der Grundlage der von der Synode beschlossenen Empfehlungen ein sogenanntes „Nachsynodales Apostolisches Schreiben“ veröffentlicht hat. Darin hat er erkennen lassen, welche Synodenergebnisse er sich selbst zu eigen machen wollte. Beklagt wurde in diesem Zusammenhang oft, dass diese päpstlichen Dokumente mitunter nur noch wenig mit dem zu tun gehabt hätten, was in der jeweiligen Synode beraten worden war.


 

Approbation und ausdrückliche Approbation

Nun hat Papst Franziskus am vergangenen Samstag in seinem Grußwort zum Abschluss zweiten Sitzungsperiode der 16. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode zur Überraschung aller mitgeteilt, dass er nicht beabsichtige, zu dieser Synode ein eigenes Apostolisches Schreiben zu veröffentlichen, denn es reiche das, „was wir approbiert haben“.

Mit dem Verb „approbiert“ wird Im Sinn des Art. 17 § 3 der Apostolischen Konstitution „Episcopalis Communio“ vom 15. September 2018 (= EpComm), der geltenden Gesetzgebung über die Bischofssynode, auf den Abstimmungsprozess verwiesen, in dem Punkt für Punkt alle 151 Paragrafen des Schlussdokuments von den Synodalen angenommen wurden: „Das Schlussdokument wird nach Maßgabe des besonderen Rechts den Mitgliedern zur Approbation vorgelegt, für die im Rahmen des Möglichen eine moralische Einstimmigkeit zu suchen ist.“ Dieses Verb stellt jedoch keinen sachlichen Bezug her zur ausdrücklichen Approbation des Schlussdokuments durch den Papst im Sinne des Art. 18 § 1 EpComm, mit der das Schlussdokument Anteil erhält am ordentlichen Lehramt des Nachfolgers Petri. Es gehört folglich in den Bereich der Fake-News, wenn das der DBK zumindest nahestehende Online-Portal „katholisch.de“ am 26. Oktober 2024 abends titelt „Weltsynoden-Schlusspapier: Papst setzt Beschlüsse direkt in Kraft“.

Der Papst will seinen Entscheidungen nicht vorgreifen

Die Entscheidung des Papstes, kein eigenes Nachsynodales Schreiben zu verfassen, erfährt im genannten Grußwort eine klare Einordnung: Franziskus sagt unmittelbar vorher, dass es im Lichte der Ergebnisse der Synode Entscheidungen gibt und geben wird, die getroffen werden müssen – von ihm, nicht von der Synode. Deshalb, also weil er solchen Entscheidungen nicht vorgreifen will, will er kein eigenes Apostolisches Schreiben veröffentlichen. Franziskus will demnach vermeiden, dass ein Nachsynodales Apostolisches Schreiben im Sinne solcher Entscheidungen missverstanden und interpretiert werden könnte.

Sowohl im Hinblick auf die Synodenergebnisse als auch im Blick auf die Themen, die den zehn „Studiengruppen“ anvertraut wurden, damit sie ihm Vorschläge unterbreiten, sagt Franziskus weiter, es brauche „Zeit, um zu Entscheidungen zu gelangen, die die ganze Kirche miteinbeziehen. Ich werde also weiterhin auf die Bischöfe und die ihnen anvertrauten Kirchen hören.“ Wenn Franziskus im Grußwort weiterhin sagt, dass er das Abschlussdokument der Synode veröffentlichen lasse, um es allen sofort zur Verfügung zu stellen und um es dem heiligen und gläubigen Volk Gottes zu übergeben, dann ist damit keine praktische und rechtliche Umsetzung einzelner Synodenergebnisse in den einzelnen Ortskirchen gemeint, sondern eine Vertiefung, die über die Bischöfe in den Entscheidungsprozess des Papstes einfließen soll.

Im Blick auf dieses Vorgehen sagt Franziskus unmissverständlich: „Das ist nicht die klassische Methode, Entscheidungen auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Es ist das, was dem synodalen Stil entspricht, mit dem auch das Petrusamt ausgeübt werden muss: zuhören, versammeln, unterscheiden, entscheiden und bewerten.“ Der Papst will folglich auch in Hinblick auf die zu treffenden Entscheidungen den synodalen Weg weitergehen, aber er lässt auch keinen Zweifel daran, dass es ausschließlich die Sache des Papstes als Träger des Petrusamtes ist, erforderliche Entscheidungen zu treffen.

Kein Handlungsauftrag, sondern Ergebnissicherung

Im genannten Grußwort spielt Franziskus auch auf den Stellenwert des Abschlussdokuments der Synode an, wenn er seinen Verzicht auf ein eigenes Nachsynodales Schreiben auch damit begründet, dass er auf diese Weise den Wert des abgeschlossenen synodalen Weges anerkennen möchte. Mit anderen Worten: Das Abschlussdokument der Synode hält im Sinn des Art. 17 EpComm die Ergebnisse der Synodenversammlung fest. Der Papst will das alles weder relativieren noch einseitig interpretieren; deshalb verzichtet er auf ein eigenes Nachsynodales Schreiben. Die Abstimmung Punkt für Punkt aller 151 Paragrafen und der Nachweis der sehr differenzierten Abstimmungsergebnisse ist ein Ausweis für die Ernsthaftigkeit, mit der in der Synode um die einzelnen Formulierungen gerungen wurde. Mit den einzelnen Abstimmungen wurden die jeweiligen Beratungsergebnisse authentisch festgehalten. Damit entspricht dieses Procedere exakt dem, was auch in Art. 11 Abs. 1 und 5 der Satzung des „Synodalen Weges“ festgeschrieben wurde: „Die Synodalversammlung des Synodalen Weges fasst zur abschließenden Feststellung der Beratungsergebnisse Beschlüsse. (…) Beschlüsse der Synodalversammlung entfalten von sich aus keine Rechtswirkung.“ Die Abstimmungen und die Beschlüsse am Ende der Bischofssynode sind demnach weder ein Handlungsauftrag an irgendjemanden noch eine Legitimation, irgendwelche Veränderungen einzuführen, sondern sie sind eine verbindliche Form der Ergebnissicherung.

Das Abschlussdokument der Bischofssynode besitzt keine rechtliche Verbindlichkeit, denn die Bischofssynode besitzt im Regelfall gemäß Nr. 7 Abs. 2 EpComm beratende und nicht beschließende Funktion. So legt der c. 343 CIC für den Regelfall unmissverständlich fest: „Sache der Bischofssynode ist es, über die Verhandlungsthemen zu beraten und Wünsche zu äußern, nicht aber diese zu entscheiden und über sie Dekrete zu erlassen.“ Und Art. 18 § 1 EpComm bestimmt: „Nachdem das Schlussdokument der Versammlung die Approbation der Mitglieder erhalten hat, wird es dem Papst übergeben, der über dessen Veröffentlichung entscheidet.“ Adressat des Schlussdokuments ist der Papst. Er entscheidet sowohl über dessen Veröffentlichung als auch über dessen Umsetzung. Er wird durch die Abstimmungsergebnisse des Schlussdokuments rechtlich nicht gebunden, allerdings besitzt das Votum der Synodenmitglieder, insbesondere wenn es moralisch einmütig ist, ein qualitatives kirchliches Gewicht, das über den rein formalen Aspekt des beratenden Votums hinausgeht und insofern der Maßgabe des c. 127 § 2 n. 2 CIC entspricht. Andere Mitglieder des Gottesvolkes wie etwa Laien, Priester, Ordensmitglieder und Bischöfe, aber auch Bischofskonferenzen, können sich in ihrem Handeln nicht rechtmäßig auf einen eventuellen Beschluss einer Bischofssynode, wie er in einem Abschlussdokument festgehalten wird, berufen.

Keine Ratifizierung des Synodalen Weges

Auch ein Nachsynodales Apostolisches Schreiben besitzt als solches weder eine rechtliche noch eine besondere lehramtliche Verbindlichkeit. Es ist vielmehr eine Ausdrucksweise des ordentlichen Lehramtes des Papstes und fordert von den Gläubigen keine der mit c. 750 §§ 1 und 2 CIC normierten besonderen Glaubens-, Annahme und Gehorsamsverpflichtungen; insofern kann in Hinblick auf ein Nachsynodales Apostolisches Schreiben auch nicht der Straftatbestand des c. 1365 CIC verwirklicht werden. Gefordert ist hingegen der christliche Gehorsam im Sinne des c. 212 § 1 CIC, der allerdings im Bewusstsein der je eigenen Verantwortung zu leisten ist.

Der Verzicht des Papstes auf ein eigenes Nachsynodales Apostolisches Schreiben zur jüngsten Bischofssynode weist damit dem Schlussdokument keine Verbindlichkeit für die Kirche zu – er relativiert dieses Dokument aber auch nicht, sondern will ausdrücklich die Ergebnisse der synodalen Beratung wertschätzen und anerkennen. Was Kollege Norbert Lüdecke in der ihm eigenen Art zum Ausdruck bringt, muss daher im Kern unwidersprochen bleiben: Das Abschlussdokument der Weltsynode hat keine rechtlichen Folgen. Der Papst habe die Publikation des Textes zwar erlaubt, er habe aber die Inhalte nicht approbiert. Die Forderungen und Vorschläge des Abschlusspapiers blieben daher unverbindliche Optionen und hätten keine Verbindlichkeit. Mit anderen Worten: Die angebliche Ratifizierung des sogenannten „Synodalen Weges“ oder einzelner seiner Forderungen durch die Weltsynode gehört ebenfalls zu den von interessierter Seite verbreiteten Fake-News.

Heribert Hallermann ist emeritierter Professor für Kirchenrecht an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.


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