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21. Oktober 2021 | "Eine Weggemeinschaft des Glaubens"

Das tiefste Wesen einer synodalen Kirche ist die eucharistische Versammlung. Fragen zum Synodalen Weltprozess an Kurt Kardinal Koch. | Download Dokument


Autor: Guido Horst
Quelle:
Die Tagespost
Eminenz, was glauben Sie: Warum hat Papst Franziskus den zweijährigen Weltprozess „Für eine synodale Kirche: Ge- meinschaft, Teilhabe und Sendung“ gewollt?

Papst Franziskus möchte, dass die Kirche in ihrem Stil des Le- bens und Wirkens synodaler wird, wie er bereits anlässlich des 50-Jahr-Gedenkens an die Errichtung der Bischofssynode durch Papst Paul VI. im Jahre 1965 betont hat: Den Weg der Synodalität entschieden zu gehen und zu vertiefen „ist das, was Gott sich von der Kirche im dritten Jahrtausend erwartet“. In diesem Licht möchte der Papst, dass in der Kirche besser verstanden und gelebt wird, was Synodalität bedeutet. Dazu ruft er immer wieder in Erinnerung, dass Synode kein Parlament ist. Während das demokratische Verfahren vor allem der Ermittlung von Mehrheiten dient, ist Synodalität ein geistliches Geschehen, das sein Ziel darin findet, in den Glaubensüberzeugungen und in den daraus fließenden Lebensweisen des einzelnen Christen und der kirchlichen Gemeinschaft überzeugende Einmütigkeit zu finden; und dies ist sehr viel anstrengender, aber auch trag- fähiger als Parlamentarismus. Drittens ist bei Papst Franziskus Synodalität sehr eng mit der Teilnahme aller Getauften an der Sendung zur Evangelisierung in der heutigen Welt verbunden, wie er ja auch in seinem Brief an das Volk Gottes in Deutschland stark betont hat.

 Kirchengeschichtlich ist dieser Prozess beispiellos. Die Vor- bereitung von Konzilien oder Synoden lag in der Regel bei der Hierarchie und gelehrten Theologen als Experten. Jetzt beginnt die Weltsynode an der Basis, bei den christgläubigen Laien. Ist das ein Paradigmenwechsel in der Leitung der Weltkirche?

Synodalität stellt in der katholischen Kirche nicht eine Neuheit dar, sondern hat ihr Leben seit ihrem Beginn geprägt. Das Wort „Synode“ ist zusammengesetzt aus den griechischen Wörtern „hodos“ (Weg) und „syn“ (mit) und bringt zum Ausdruck, dass ein Weg gemeinsam gegangen wird. Im christlichen Sinn be- zeichnet das Wort den gemeinsamen Weg der Menschen, die an Jesus Christus glauben. Die christliche Religion wurde deshalb ursprünglich als „Weg“ und die Christen, die Christus als „Weg, Wahrheit und Leben“ (Joh 14, 6) nachfolgen, als „Anhänger des Weges“ bezeichnet (Apg 9, 2). Joseph Ratzinger – Papst Bene- dikt XVI. pflegt deshalb die Kirche als „Weggemeinschaft des Glaubens“ zu charakterisieren. Schon der heilige Chrysostomos hat erklärt, „Kirche“ sei ein Name, „der für einen gemeinsamen Weg steht“, und Kirche und Synode seien folglich Synonyme. Wie sich Synodalität konkret vollzieht, dafür hat Cyprian von Karthago, ein bedeutender afrikanischer Bischof in der frühen Kirche, diese Wegweisung gegeben: „Nichts ohne den Bischof, nichts ohne den Rat des Presbyteriums und nichts ohne den Konsens des Volkes Gottes“. Damit ist zugleich deutlich, dass das synodale und das hierarchische Prinzip in der Kirche keine Gegensätze darstellen, sondern sich wechselseitig fordern und fördern.

Wo liegen Ihrer Meinung nach die Prioritäten bei dem nun startenden synodalen Weg der Weltkirche?

Die erste Priorität besteht darin, dass der synodale Prozess ei- ner Erneuerung der Kirche aus der Mitte des Glaubens heraus verpflichtet ist und deshalb ein geistlicher Vollzug sein muss. Bei der Verlebendigung der Synodalität geht es in erster Linie nicht um Strukturen und Institutionen, sondern um das Hören der Glaubenden aufeinander und im Miteinander-Hören um das gemeinsame Hören auf den Heiligen Geist. Dazu braucht es beredte Stille und Gebet. Diese geistliche Dimension kommt vor allem darin zu sichtbarem Ausdruck, dass seit früher Zeit synodale Versammlungen in der Kirche mit der Feier der Eucharistie und der Inthronisation des Evangeliums eröffnet werden. Mit diesem spirituellen Vorzeichen ist deutlich, dass das tiefste Wesen einer synodalen Kirche die eucharistische Versammlung ist. Denn die Kirche lebt vor allem dort, wo sich Christen zur Feier der Eucharistie versammeln, wie die Internationale Theologische Kommission in ihrem wichtigen Dokument „Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche“ hervorhebt: „Der synodale Weg der Kirche wird von der Eucharistie gestaltet und genährt“ (Nr. 47).

Nun haben viele Gläubige auch andere Probleme: Die Einschränkungen durch die Corona-Krise, Situationen der Not und Verfolgung im Mittleren Osten oder in den zentralafrikanischen Ländern. Wird da nicht allen Getauften ein von Rom ausgesuchtes Thema übergestülpt?

Die Synodalität ist nicht einfach ein neues und zusätzliches The- ma, das den vielen Themen und Herausforderungen, vor denen die Kirche heute steht, hinzugefügt werden müsste oder die es gar verdrängen würde. Die Synodalität impliziert vielmehr ei- nen neuen Stil, mit dem die bestehenden Herausforderungen wie die von Ihnen genannten wahrgenommen werden. Sie ist gleichsam eine neue Brille oder besser die Augen des Glaubens, mit denen die bedrängenden Fragen der heutigen Zeit betrach- tet und besprochen werden, und zwar mit der Leitfrage, was der Heilige Geist der Kirche mit den heutigen Zeichen der Zeit sa- gen will – wie der urchristliche Seher Johannes in der „Offenba- rung“ seine Sendschreiben an die kleinasiatischen Gemeinden jeweils mit den Worten beschließt: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt (Apk 2, 11 usw.)

Birgt der synodale Weltprozess Chancen für die Ökumene? Frère Alois von der Gemeinschaft Taizé hat bei der Eröffnung in Rom eine entsprechende Initiative ins Gespräch gebracht...

Das Grundprinzip der ökumenischen Dialoge besteht im Aus- tausch von Gaben, in dem wir von den anderen christlichen Kirchen lernen können, und zwar in der Überzeugung, dass die spezifischen Gaben vom Heiligen Geist nicht nur diesen Kir- chen, sondern der ganzen Christenheit geschenkt sind. Papst Franziskus hat in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ dazu ein konkretes Beispiel gegeben. Er hat hervor- gehoben, dass wir Katholiken im Gespräch mit den orthodoxen Kirchen die bereichernde Möglichkeit haben, „etwas mehr über die Bedeutung der bischöflichen Kollegialität und ihre Erfah- rung der Synodalität zu lernen“ (Nr. 246). Und in umgekehrter Sinnrichtung darf man in der Vertiefung und Verstärkung der Synodalität einen wichtigen ökumenischen Beitrag der katholi- schen Kirche für die Anerkennung des Primats des Bischofs von Rom auch durch andere Kirchen sehen. Das theologische und pastorale Bemühen, eine synodalere Kirche zu gestalten und zu leben, hat deshalb reiche Auswirkungen auf die Ökumene, wie vor allem im katholisch-orthodoxen Dialog sichtbar ist, dessen Kernthema das Verhältnis von Synodalität und Primat ist. Von daher ist es wünschenswert, wenn die ökumenischen Partner in den synodalen Prozess auf allen seinen Ebenen mit einbezogen werden.

Was wünschen Sie sich ganz persönlich? In welcher Weise soll die Kirche in zwei Jahren „anders“ sein, wie Papst Franziskus es mit Verweis auf Yves Congar ausgedrückt hat?

Papst Franziskus hat energisch betont, dass es nicht um eine „andere“ Kirche gehen kann, da man die Kirche unmöglich neu erfinden kann und darf. Denn sie ist die Kirche des Herrn, und nur wenn wir dies ernst nehmen, auch „unsere“ Kirche. Der Papst hofft aber, dass sich die Kirche durch den synodalen Prozess „anders“ präsentieren wird. Ich wünsche vor allem, dass dieser Prozess dazu führen wird, dass alle Glieder der Kirche wieder neu entdecken, dass sie in der Taufe von Gott selbst dazu berufen worden sind, Glieder der Kirche zu sein, und dass alle aufgrund der Taufe ihre Sendung zur Weitergabe des Glau- bens wahrnehmen und deshalb authentisch Kirche und nicht „KmbH“, Kirche mit beschränkter Haftung sind. Da man aber nur weitergeben kann, was man selbst empfangen hat und für kostbar hält, hoffe ich, dass alle am synodalen Prozess Teilneh- menden die Schönheit des Glaubens wiederentdecken und neue Freude am Glauben und Freude daran, zur weltweiten Kirche Jesu Christi gehören zu dürfen, gewinnen.


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